Um den eingangs zunehmend stärker ins Gewicht fallenden Widrigkeiten zu begegnen, nahm sich der italienische Debian-Entwickler Enrico Zini im Jahre 2003 des Problems an. Er orientierte sich dabei an der Art und Weise, wie Bücher und Dokumente von je her anhand von Schlüsselworten und Kategorien indexiert und klassifiziert werden. Zur Debian-Entwicklerkonferenz DebConf im Jahre 2005 in Helsinki [DebConf5] stellte er sein Projekt Debtags [Debian-Debtags] vor, welches die Debianpakete und deren Beschreibung um geeignete Stichworte oder Attribute ergänzt und damit die Granularität der Suche deutlich erhöht. Seit Anfang 2016 ist die Webseite des Debtags-Projekts Bestandteil der offiziellen Webseite des Debian-Projekts (siehe auch „Debtags Webseite“ Abschnitt 13.3, „Webseite zum Projekt“).
Der Projektname Debtags leitet sich von den beiden Worten Debian und tags ab, wobei sich letzteres mit Schlagwort, Markierung, Stichwort, Etikettierung oder Attribut ins Deutsche übersetzen lässt. Enrico Zini pflegt dazu das gleichnamige Paket debtags [Debian-Paket-debtags], welches sehr schnell in den regulären Paketbestand aufgenommen wurde. Seit Debian 4.0 Etch sind die Debtags ein regulärer Bestandteil jeder Paketbeschreibung.
Den hier angestoßenen Vorgang kennen Bibliothekare sowie Spezialisten zum Information Retrieval und zur Suchmaschinenoptimierung – engl. SEO als Abkürzung für Search Engine Optimization – unter dem Fachbegriff Verschlagwortung von Inhalten und Indexierung von Dokumenten. Gleiche Sachverhalte werden dabei durch einheitliche Begriffe repräsentiert. In dem hier genutzten Klassifikationsschema entspricht ein verwendeter Begriff einem Aspekt oder einer spezifischen Eigenschaft eines Pakets.
Jedes Paket kann beliebig viele Schlagworte besitzen, sogenannte Mehrfachattribute oder Facetten. Daher heißt das Klassifikationsschema auch Facettenklassifikation – englisch faceted classification. Die im Schema verwendeten Begriffe orientieren sich an der Umgangssprache und umfassen bspw. interface (Benutzerschnittstelle des Programms), protocol (verwendetes oder unterstütztes Netzwerkprotokoll) oder works-with-format (unterstütztes bzw. akzeptiertes Datenformat). Sowohl die Liste der verwendeten Schlagworte, als auch die bereits vergebenen Schlagworte für ein Paket können bei Bedarf von jedem Interessierten unkompliziert ergänzt und korrigiert werden.
Als Datenbank zu den Schlagworten fungiert eine Textdatei, die sich
unter /var/lib/debtags/vocabulary
befindet. Neben dem Hauptbegriff
(„Facette“) finden Sie eine Beschreibung und ggf. auch eine
Statusinformation. Nachfolgend sehen Sie einen Ausschnitt aus dem
Abschnitt interface
.
Klassifikation der Benutzerschnittstelle über die Facette interface
(Ausschnitt).
Facet: interface Description: User Interface What kind of user interface the package provides Status: needing-review Tag: interface::3d Description: Three-Dimensional Tag: interface::commandline Description: Command Line Tag: interface::text-mode Description: Text-based Interactive
Wurden die Debian-Pakete entsprechend markiert, vereinfacht sich darüber die Suche nach passenden Paketen erheblich (siehe „Vergebene Schlagworte anzeigen“ in Abschnitt 13.5, „Vergebene Schlagworte anzeigen“ und „Suche anhand der Schlagworte“ in Abschnitt 13.6, „Suche anhand der Schlagworte“). Damit profitieren Sie als Nutzer sofort von dem Klassifikationsschema und können bei Interesse gleichzeitig zu dessen Komplettierung beitragen, indem Sie Debianpakete, die noch unvollständig kategorisiert oder gänzlich ohne Attribute sind, um weitere Schlagworte ergänzen. In Folge haben alle Debian-Benutzer kurzfristig einen spürbaren Vorteil davon.
Innerhalb kürzester Zeit erfolgte zudem eine nahtlose Integration von Debtags in die bestehenden Paketmanager, sodass das Feature allgemein verfügbar wurde. Leider ist diese nützliche Eigenschaft bislang nicht allen Benutzern präsent. Wir erhoffen uns einen höheren Verbreitungs- und Nutzungsgrad, indem wir nachfolgend das Projekt und insbesondere dessen Werkzeuge ausführlicher beleuchten.